Das Richtfest

Der Rohbau ist fertig – der Dachstuhl errichtet

Sobald der Dachstuhl auf dem neuen Haus errichtet ist, ist es Tradition das Richtfest zu feiern. Dieses besondere Fest soll vor allem den Bauherren und seiner Familie Glück im neuen Eigenheim bringen. Gefeiert wird mit allen beteiligten Handwerkern, den Planern, Helfern und Freunden, die alle fleißig mitgearbeitet haben, es zu diesem prachtvollen Gebäude zu erheben. So ist der Sinn des Richtfests überall gleich, lediglich die Bezeichnung kann sich je nach Region ändern. Hebauf, Heweih, Hebfeier, Weihefest, Gleichenfeier, Bauheben, Firstbier, Aufrichte, Dachgleiche oder auch niederdeutsch Fensterbeer sind weitere Namen für das Richtfest.

Das Richten früher und heute

Vor allem auf die Gebräuche, wie Traditionen des Zimmerhandwerks geht das Richtfest zurück. Zahlreiche dieser Bräuche wurden bereits im frühen Mittelalter vorgenommen und werden noch heute sorgfältig und liebevoll gepflegt.

Der Dachstuhl wurde früher weitgehend von Hand zusammengefügt. Hilfsmittel und Geräte, wie abgebundene Gerüste, Flaschenzüge, Dreiböcke oder Hebebäume waren die Ausnahme. Turmdrehkrane oder Autokrane werden erst seit den jüngsten Jahrzenten zum Heben, Transportieren und Zusammenfügen eingesetzt. War das Dach aufgerichtet, so hatten die Bauherren, und das ist auch heute noch gültig, den wichtigsten und schwierigsten Teil des Bauvorhabens hinter sich und die Zimmerer den konstruktiven Teil an dem Bauwerk vollendet. Mit den Glück- und Segenswünschen der Zimmerer für den Bauherren und seiner Familie wurde das Richtfest gefeiert. Ursprünglich nur ein Festschmaus, der bis dahin am Bau Beteiligten einschließlich den Freunden und Nachbarn, entwickelte sich ein festes Ritual.

Manchmal muss der Bauherr den letzten Sparrennagel einschlagen. Oder wenn das erste Bauteil zusammengefügt war den ersten Zapfen einschlagen. Dabei bekam er einen ungeeigneten Hammer, für jeden Schlag, der daneben ging, musste er einen Liter Bier zahlen. Manchmal wurde das letzte Stück Sparrenholz versteckt und musste mit Schnaps ausgelöst werden. Mit langen, schweren Ketten rasselten sie die Gesellen am Ende des Richtens auf den Dachboden, um allen anzuzeigen, dass das Werk nun vollbracht sei und die Festlichkeiten beginnen konnten.

Hin und wieder verzichtete ein Bauherr aus Geiz auf das Richtfest. In solchen Fällen drückten früher die Zimmerleute ihren Unmut dadurch aus, dass sie einen Reisigbesen, unter Umständen sogar einen Galgen, weithin sichtbar am First annagelten. Der „Geizkragen“ wurde damit in der Öffentlichkeit gebrandmarkt. Erst in jüngere Zeit wird aus terminlichen Gründen manchmal auf das Richtfest verzichtet und den Handwerkern dafür ein kleines Trinkgeld gegeben. Ein weiterer Grund ist wohl, dass eine zünftige Feier mit Alkoholkonsum und das Autofahren in der heutigen Zeit unvereinbar sind.

Auch sind viele dieser Rituale inzwischen durch die Verwendung moderner Arbeitstechniken verschwunden, aber einiges ist dennoch erhalten geblieben. Der ein oder andere Bauherr sollte sich nicht zu nahe unter dem Richtbaum aufhalten, denn so mancher Eimer Wasser hat sich schon wie ganz zufällig über den Kopf des Bauherren ergossen – ebenfalls eine lang gepflegte Tradition der Zimmererzunft in Bayern.

Richtspruch

Wurde früher der Richtkranz, -krone oder -baum von jungen Mädchen aus der Nachbarschaft selbst gebunden und reichlich mit Bändern und Blumen geschmückt, wird meist die immergrüne, geschmückte Krone mit dem Kran ganz oben auf dem Dachstuhl befestigt. Nun hält der Geselle oder Polier in seiner typischen Zimmertracht den Weihespruch, der auch als Baupredigt oder Zimmermannsspruch bekannt ist.

In der Regel wird dabei um Gottes Segen für das neue Haus gebeten und Allen, die zum Gelingen des Bauwerks beigetragen haben Dank ausgesprochen. Für jede Gebäudeart gab es verschiedene Ausführungen, die in Prosa oder Poesie vorgetragen wurden. In zünftiger und amüsanter Sprache reimte der Zimmermann, lobte den prachtvollen Bau und ließ den Bauherren, seine Familie, Handwerker und Architekten je drei Mal hochleben.

Bei diesem Ritual werden nach jedem Reim ein Glas, auf dem Boden zerschmettert. Geht das Glas dabei nicht zu Bruch, so wird dies oft als schlechtes Omen gewertet. Scherben dagegen bedeuten – wie im Volksglauben verankert – Glück. Zumeist sind die Richtsprüche auf ein bestimmtes Gebäude aber auch ganz individuell auf die Bauherrenschaft gemünzt.

Es gibt aber auch ganze Menge allgemein gültiger Sprüche wie den folgenden:

Verklungen sind des Beiles Schläge,
Verstummt ist die geschwätz’ge Säge.

Drum preiset laut der Zimmermann,
so gut als er es eben kann,
den herrlich schönen, stolzen Bau,
der sich erhebt ins Himmelsblau.

Wenn andere Künstler nun vollenden
Den Bau und mit geschickten Händen
Das Innere fein füllen aus,
dann wird’s für wahr ein prächtig Haus.

Mög Eintracht und Zufriedenheit
darinnen hausen alle Zeit
Mög Fried und Freundschaft ewiglich
Am heim’schen Herd begegnen sich.
Mög Gott in diesem Hause sein
Darauf trink ich diesen Becher Wein.

Nun Glas zersplittere im Grund,
Geweiht sei dieses Haus zur Stund.

Richtfestschmaus

Als Geste der Danksagung an alle die am Bau beteiligt waren wird das Richtfest gefeiert. Eingeladen werden Meister, Gesellen und Auszubildende der verschiedenen Gewerke (z.B. Zimmerer, Maurer, Eklektiker, Heizungsbauer etc.) sowie der Bauleiter, der Architekt und der Statiker. Ebenso Freunde und Verwandte zählen dazu, und diejenigen denen man stolz den Neubau präsentieren will. Nun kann kräftig gefeiert werden. Die Bauherrschaft bedankt sich mit „Speis und Trank“ und es ist gute und häufig genutzte Gelegenheit für die Zimmerleute, die Tradition des Zimmerklatsches zu pflegen.

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